Hessenweites Schülerticket

Patricia Agricola

Es ist eine gute Nachricht für die Schulbesucher und Eltern im Landkreis: zum neuen Schuljahr im August wird die kreisweite CleverCard – bereits ein gutes Modell – durch ein nun hessenweites Schülerticket ersetzt.
Für 365 Euro im Jahr, also umgerechnet einen Euro am Tag, können die berechtigten Schülerinnen und Schüler hessenweit den ÖPNV nutzen. Dies ist natürlich ausdrücklich zu begrüßen –auch wenn es von der politischen Konkurrenz in Wiesbaden umgesetzt worden ist.
Denn durch das neu gestaltete Ticket erfolgt für die meist jungen Kunden eine Fahrpreissenkung, eine Angebotserweiterung und auch eine Vereinfachung der Verkaufsstrukturen.
Für die überwiegende Zahl der Schülerinnen und Schüler und Auszubildenden wird das Ticket künftig günstiger. Auch für unseren Landkreis ist dies ein attraktives Produkt, da das Schülerticket bereits ab Preisklasse 2 finanziell lohnenswert ist. Insbesondere für Oberstufenschüler wird das Schülerticket attraktiver als bisher.
Derzeit müssen Eltern aus Preisklasse 2 für Ihre Kinder 453 € zahlen. Nun sind es 365 Euro, die Eltern sparen also 88 € Euro. Für alle, deren Wege über Kreisgrenzen hinweg führen, ist die Ersparnis nochmals größer, da keine Zusatzfahrkarten mehr gekauft werden müssen.
Doch wenn bei einer Leistung eine Seite spart, legt meist die andere Seite drauf. So auch hier.
In der Regel führen die Preissenkungen dazu, dass das Angebot intensiver genutzt wird und mehr Menschen Bus fahren.
Die Preisreduzierung bedeutet in diesem Fall Mindereinnahmen für die drei Verkehrsverbünde gegenüber den bisherigen Schülerjahreskarten. Die will das Land zwar durch eine jährliche Beteiligung von 20 Millionen Euro auffangen – allerdings nur während der dreijährigen Pilotphase. Und was kommt dann?
Wir Sozialdemokraten fordern daher, dass die Finanzierung über die Pilotphase hinaus vom Land sichergestellt wird, sollte das Projekt zum gewünschten Erfolg werden.
Es bleibt auch abzuwarten, ob die 20 Millionen des Landes ausreichen werden. Sollte das neue Schülerticket wirklich ein Renner werden – das heißt, wenn die Schüler ihre Möglichkeiten, auch abseits der normalen Schulroute zu fahren, intensiv nutzen –, dann könnten sich die 20 Millionen Subventionen für die erhöhten Beförderungszahlen schnell als zu knapp erweisen. Ob dann das Land nochmal den Geldbeutel öffnet, steht in den Sternen.
Das heißt, es besteht die Gefahr, dass darüber hinaus gehende Kosten auf die kreisfreien Städte und Landkreise als Träger der Verkehrsverbünde abgewälzt werden. Das wäre hoch gefährlich angesichts der Mühen, die wir jetzt schon haben, in unserem Landkreis das öffentliche Nahverkehrsnetz ohne Einschränkungen zu erhalten.
Ein erhöhtes Fahrgastaufkommen ist aber wohl für den Landkreis Marburg-Biedenkopf nur bedingt zu erwarten, wie Herr Debus in der Ausschusssitzung WIELU meinte, da dies bereits mit der Einführung der kreisweiten Clevercard erfolgte.
Das neue Schülerticket hat aber noch einen zweiten Pferdefuß. Denn es ändert sich nichts an der Ungleichbehandlung von Schülern bei der Fahrtkostenerstattung – sie wird durch den Mehrwert des Tickets sogar noch größer. Wie bisher gilt, dass nur bei einem Schulweg von mehr als 2 km zur zuständigen Grundschule beziehungsweise von mehr als 3 km zur weiterführenden Schule die Fahrtkosten übernommen werden.
Schülerinnen und Schüler dagegen, die in unmittelbarer Nähe zur ihrer Schule wohnen, schauen weiter in die Röhre.
Was bei einem Ticket nur für den Schulweg noch halbwegs akzeptabel war, ist es mit dem erweiterten Umfang des Tickets nicht mehr. Hier haben die Landesregierung und die Verkehrsverbünde eine Chance vertan, endlich für Gleichbehandlung zu sorgen. Auch wenn, das sage ich mit Blick auf die Leistungserbringer, sich dies natürlich ebenfalls kostensteigernd bemerkbar machen würde. Aber das gehört zur Gerechtigkeit aus meiner Sicht eben dann auch dazu.
Eine Nachbesserung sollte hier also unbedingt noch erfolgen.
Und last but not least: Mit dem hessenweiten Schülerticket, das zweifellos ein großer Schritt in die richtige Richtung ist, wird das Angebot des ÖPNV noch nicht besser.
Überspitzt gesagt: Was nutzt es, dass ich überall hinfahren könnte – wenn dorthin gar kein Bus fährt?
Auf das Schülerticket muss also – und das im Interesse aller ÖPNV-Nutzer – auch noch ein schlüssiges und nachhaltiges Mobilitätskonzept folgen, insbesondere für den ländlichen Raum. Wir dürfen gespannt sein, ob die Landesregierung dafür dann auch nochmal zusätzliches Geld in die Hand nimmt. Denn von den Kommunen, das wissen wir alle, wird dies nicht zu leisten sein.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!