
Die Rede der SPD-Kreistagsabgeordneten Inge Dörr:
Sehr geehrter Herr Vorsitzender,
meine Damen und Herren,
Kinderförderung ist eine der wichtigsten und weit in die Zukunft weisenden Aufgaben unserer Gesellschaft.
Der Entwurf des neuen Kinderförderungsgesetzes ist seit Wochen in der öffentlichen Diskussion und Kritik. Erzieherinnen und Erzieher, Eltern und Träger, Wohlfahrtsverbände, Bürger und Bürgermeister äußern deutlich ihren Unmut über den vorliegenden Gesetzentwurf. Ein Aufschrei der Empörung gegen diese vom Land Hessen geplante gesetzliche Neuregelung ist von Betroffenen und Verantwortlichen in Kitas auch durch unseren Landkreis gegangen.
Blicken wir auf den Entwurf des Kifög, so muss auf folgendes kritisch hingewiesen werden:
Die bisher geltende Mindestverordnung sieht in Kindergärten eine Gruppengröße zwischen 15 und 25 vor. Der neue Gesetzesentwurf sieht eine maximale Gruppenbelegung von 25 Kindergartenkindern vor. Die Pauschalen werden pro aufgenommenem Kind gewährt. D.h., nicht voll belegte Gruppen sind unwirtschaftlich!
Das wird dazu führen, dass aus betriebswirtschaftlichen Gründen die Gruppen bis zur maximalen Belegung aufgefüllt werden müssen. Im U3-Bereich werden mit dem Kifög Gruppen mit 16 Kleinkindern ermöglicht. Die Einführung der Bezuschusssung von belegten Plätzen in den Kitas entspricht der Einführung von Fallpauschalen, die uns aus dem Gesundheitsbereich hinreichend bekannt sind.
Große Gruppen sind kein pädagogisch anzustrebendes und zu verantwortendes Ziel, sie mindern die Qualität der Kinderbetreuung.
Kleinkinder und auch Kindergartenkinder brauchen viel persönliche Ansprache und Assistenz z.B. beim Anziehen, auf der Toilette, beim Essen wo bleibt da angemessene Zeit für frühe Bildung und für Zuwendung, damit Kinder sich sicher und geborgen fühlen, in ihrer Sozialkompetenz gefördert werden und eine Stärkung ihrer Persönlichkeit erfahren?
Wollen wir uns dafür einsetzen, dass sich in einer Kindergartengruppe 25 Kinder als optimale Belegung darstellen? Da kann es von uns nur ein deutliches Nein geben!!
In kleinen Orten, wie das in unseres Landkreises gegeben ist, wird eine Pauschale für jedes aufgenommenen Kind zu finanziellen Problemen führen, da die Anzahl der Kinder nicht den Plätzen einer Maximalbelegung entspricht. Auch zusätzliche Pauschalen für eingruppige, kleine Einrichtungen werden das nicht ausgleichen.
Jedes Kind hat einen gesetzlichen Anspruch auf einen Kindergartenplatz, wenn es drei Jahre alt wird. D.h. der Träger muss den Platz bereit halten, sonst kann er nicht vergeben werden. Das schlägt sich finanziell negativ nieder.
Voll belegte Gruppen rechnen sich am Besten bei Öffnungszeiten, in denen alle Kinder anwesend sind. Randzeiten gehören zu den unwirtschaftlichen Zeiten in Kitas.
Einrichtungen mit langen Öffnungszeiten sind finanziell deutlich benachteiligt: Die Höhe der Pauschale pro belegtem Platz richtet sich auch nach den Betreuungsstunden. Sie sind gestaffelt in drei Schritten: bis zu 25 Stunden, von 25 bis zu 35 Stunden und über 35 Stunden.
D.h. für Betreuungszeiten von z.B. 7.30 h bis 17.00 h – also für 9 1/2 Stunden, gibt es die gleiche Pauschale wie bei Öffnungszeiten von 7 ¼ std von 7.45 15.00 h !
Für Kitas ist es finanziell gesehen unsinnig, deutlich mehr als 7 Std. tägliche Öffnungszeit anzubieten. Für Eltern mit Vollzeitberufstätigkeit ist das desaströs!
Kitas mit langen Offnungszeiten und vielen Ganztagsplätzen stehen sich wirtschaftlich schlecht und das geht letztlich zulasten der Träger und der Kommunen und auch zulasten der Eltern.
Für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist das völlig unakzeptabel.
Auch die mögliche Erhöhung der Anteils von Nicht-Fachkräften auf bis zu 20 % der Personalstellen wird sich negativ auf die Qualität auswirken. Einer angestrebten Aufwertung des Berufes der Erzieherin/des Erziehers ist das nicht dienlich.
Der Wegfall der verlässlichen dauerhaften Förderung zugunsten der Pauschale pro Kind wird Auswirkungen auf die Personalsituation haben – mit flexiblen Arbeitszeiten und wird zu mehr Teilzeit und befristeten Arbeitsverhältnissen führen, weil Schwankungen in der Auslastung nicht zu vermeiden sind (Eingewöhnungsphasen, Plätze für 3jährige, für Nachrücker z.B. bei Umzügen).
Die Planungssicherheit der Träger über den Personalbedarf ist dann dahin. Ziel des Kifög ist es, Fachkräfte flexibler und bedarfsgerechter einzusetzen. Welchem Bedarf wird da das Kifög gerecht? Nicht dem Bedarf nach einer qualitativen Kinderbetreuung.
Ein flexibler Personaleinsatz in der Kinderbetreuung muss stark in Frage gestellt werden.
Denn es ist kein Geheimnis, dass die Bindungsentwicklung der Kinder von elematarer Bedeutung bei der Entwicklung einer stabilen Persönlichkeit ist.
Das macht es in Betreuungseinrichtungen dringlich notwendig, dass die Fachkräfte möglichst langfristig und verlässlich den Kindern zur Vergfüng stehen.
Wir brauchen hervorragend qualifizierte Fachkräfte, die sich mit ihren Einrichtungen identifizieren und denen die Qualität der Kinderbetreuung angelegen ist. Das erreichen wir nicht mit flexiblem Personal. Qualitätsförderung sieht anders aus!
Es gibt weitere Kritikpunkte, die sich negativ auf die Qualität in Kitas auswirken:
so z.B. das Platzsharing, wenn sich zwei Kinder einen Ganztagsplatz teilen,
die Einführung eines Betreuungsmittelwertes, der niedriger ist als die für das Kind gebuchte Betreuungszeit,
die mangelnde Anrechnung von Vor- und Nachbereitungszeit und Leitungsaufgaben, keine adäquate Berücksichtigung von Kindern mit Förderbedarf, die Quote für die Anrechnung von Ausfallzeiten durch Urlaub, Krankheit u.ä. ist mit 15 % deutlich zu gering angesetzt (statt 20-23 %).
Die betriebswirtschaftliche Führung der Kitas erlangt bei dem Gesetztesentwurf Priorität vor der pädagogischen und das ist nicht in unserem Sinn!!
Qualität in der Kinderbetreuung heißt auch, daß Eltern und Kindern nicht nur einen Anspruch auf einen Kitaplatz haben, dieser Kitaplatz muss auch einen angemessenen zeitlichen Umfang haben, der auch kompatibel ist mit einer Berufsausübung der Eltern!
Kifög steht für Ökonomisierung der Kinderbetreuung!
Wir sind für qualifizierte Kinderbetreuung, die den Bedürfnisse der Kinder gerecht wird und die die Anliegen der Eltern berücksichtigt!
Wir setzen uns dafür ein, dass Kein Qualitätsabbau in hessischen Kindertagesstätten geschieht und dass die Kommunen bei der Kinderbetreuung nicht allein gelassen werden.
Es kann nicht an der Finanzkraft der einzelnen Kommunen liegen, ob ein adäquates Betreuungsangebot für Kinder bereitgestellt wird, denn sie müssen die Schwankungen in der Kinderzahlen auffangen und die daraus resultierenden Mindereinnahmen ausgleichen.
Wir wissen alle um die finanzielle Situation der Kommunen: mit dem Kifög-Entwurf werden Anzeize geschaffen, durch ein eingeschränktes Angebot Einsparungen in den Kommunen zu erlangen!
Die Kommunen, die sich für eine gute Qualität in der Kinderbetreuung einsetzen, müssen vom Land finanziell entsprechend ausgestattet werden.
Das ist mit dem Kifög nicht der Fall.
Die SPD-Fraktion fordert mit ihrem Antrag, darauf hinzuwirken,dass die Betreuungssituation von U3 bis zu Grundschulkindern nachhaltig verbessert wird – anstatt sie zu verschlechtern. Der Kreisausschuss wird damit aufgefordert, daraufhinzuwirken, dass der Gesetzesentwurf des Kifög in dieser Form zurückgenommen wird und das Land einen Ausgleich für die Mehrbelastungen der Kommunen übernimmt.
Inge Dörr, Lohra